Fragt man ChatGPT nach seinen Fähigkeiten zu kreativem Schreiben, so bekommt man die folgende Antwort:
“Ich kann […] durchaus kreative Texte schreiben, aber es hängt auch von den spezifischen Anforderungen und Erwartungen ab, die an den Text gestellt werden. Wenn [du] beispielsweise einen kreativen Text im Sinne eines literarischen Werkes wie einem Roman oder Gedicht [wünschst], kann ich durchaus interessante und einzigartige Texte erstellen, die auf verschiedenen Themen oder Stilen basieren.”
Unsere Versuch zum Thema kann KI kreatives Schreiben
Wie interessant und einzigartig von KI erstellte Texte jedoch wirklich sind, habe ich am Beispiel der KI Chatbots ChatGPT und perplexity.ai, die beide auf dem GPT-Modell von OpenAI basieren, getestet. Mithilfe unterschiedlicher Prompts habe ich versucht, herauszufinden, wo genau ihre Grenzen liegen. Die Nutzungsrichtlinien von OpenAI verbieten Folgendes: “Content that promotes or glorifies violence or celebrates the suffering or humiliation of others”. Dieser Filter ist natürlich aus ethischer Sicht ein absolutes Muss, um Nutzer:innen vom Missbrauch der Tools abzuhalten. Gewalt und Blutrünstigkeit sind jedoch bei fiktionalen, besonders bei Horror-Texten, wichtige Charakteristika. Mein Ziel war daher, herauszufinden, wie originell von KI generierte Horrorgeschichten wirklich sein können. Die Geschichten, die dabei herauskamen, kommen jedoch bei weitem nicht an die blutrünstigen Storys heran, die wir heutzutage von Stephen King und Co. kennen.
KI kreatives Schreiben - Prompt 1
Die Resultate von Prompt 1 kann man kaum als Horror bezeichnen: “Schreibe eine Horrorgeschichte.” Beide handeln von einer Gruppe von Protagonist:innen, die in einem Spukhaus den Schreck ihres Lebens bekommen. Sie sind sprachlich extrem simpel gehalten und enthalten nichts, was einen zum Gruseln bringt, wie zum Beispiel anschauliche Beschreibungen aus der Sicht der Protagonist:innen oder nicht beantwortete Fragestellungen. Tatsächlich sind die Charaktere auch sehr schwach ausgearbeitet, was jedoch auch auf die Kürze der Geschichte zurückgeführt werden kann.
KI kreatives Schreiben - Prompt 2
Um die ganze Sache etwas spannender zu machen, habe ich für den zweiten Versuch den Prompt in “Schreibe eine Horrorgeschichte für Erwachsene” geändert. Doch auch hier blieb der Gruselfaktor aus. Zwar hat perpxlexity.ai die Story von einem Spukhaus in eine verlassene Nervenheilanstalt verlegt und das Ende der Geschichte offen gelassen, doch gegruselt hat mich davon nichts – Spukhäuser sind mittlerweile einfach zu generisch im Horrorgenre. Auch diese beiden Geschichten waren syntaktisch sehr einfach und in einem eher niedrigen Register geschrieben.
KI kreatives Schreiben - Prompt 3
Beim letzten Versuch habe ich im Prompt also explizit nach Gewalt gefragt: “Schreibe eine gewalttätige Horrorgeschichte für Erwachsene.” Was hier als erstes angezeigt wurde, war ein Warnhinweis: “Warning: The following story contains graphic violence and may be disturbing to some readers.” Wir befinden uns in dieser Geschichte mit den Protagonist:innen in einer Waldhütte, die von einem verstörten Mörder heimgesucht wird.
Auch perplexity.ai lieferte bei Prompt 3 erst einmal eine Inhaltswarnung. Hier fiel mir bei der letzten Geschichte jedoch das neue Setting besonders positiv auf. Die Protagonistin arbeitet als Sicherheitsangestellte in einem Museum, in dem nachts das ein oder andere Monster sein Unwesen treibt und auch mal einen Menschen verspeist. Jegliche Ähnlichkeit an ein filmisches Phänomen aus der Popkultur ist bestimmt nur Zufall.
Unser Fazit zum Thema kann KI kreatives Schreiben
Das bringt mich zu meinem Fazit aus dem kleinen Experiment. Zu Beginn dieses Beitrags habe ich ChatGPT mit seinen Ansichten zu kreativem Schreiben zitiert. Was dabei außerdem noch herauskam:
“Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass mein Schreibstil durch die Daten beeinflusst wird, die ich während meines Trainingsprozesses gesehen habe, und dass meine Texte möglicherweise nicht so menschlich oder persönlich wie die eines menschlichen Autors sind.”
Verrückte Horrorgeschichten erstellen zu lassen, die so schlecht sind, dass sie schon wieder lustig sind, mag einem nicht als der beste Ansatz zu kritischer Auseinandersetzung mit dem KI-Thema vorkommen. Es bringt jedoch einen wichtigen Aspekt genau auf den Punkt, den man bei der KI-Contenterstellung auf keinen Fall vergessen sollte: Die KI benutzt nur sprachliche Ausdrücke, die es schon gibt. Ihr Sprachmodell beruht auf Stochastik, was in diesem Fall bedeutet: Beide Bots haben mir die wahrscheinlichsten Horrorgeschichten ausgespuckt. Auf neue Prompts hin wurde diese Wahrscheinlichkeit anhand der riesigen Datenmenge, mit der sie trainiert wurden, neu berechnet. Doch die Resultate solcher Anfragen können nur generisch sein, denn das ist genau das Funktionsprinzip dieser Sprachmodelle.
Wenn man sich der Frage stellt, ob Writer:innen von KI ersetzt werden können, kann man daraus ableiten: wenn das Ziel lautet, einen sehr generischen Text (beziehungsweise sehr viele generische Texte in kurzer Zeit) zu erstellen, dann – ja, (wobei ich einen menschlichen Post-Editor stark empfehlen würde). Doch neue Ideen und sprachliche Identitätsmerkmale wie Neologismen, ein eigener Sprach- und Schreibstil und originelle Storylines sind der KI einfach aufgrund ihres Funktionsprinzips einfach nicht möglich.
Leah Gramlich
Content Writerin, Studium der Linguistik und Übersetzungswissenschaft.